Hausarzt früher und heute!

Veröffentlicht am 05.12.2018 in Allgemein

 

Bericht über die Veranstaltung der Kreistagsfraktion der SPD am 28.11.2018 im Naturfreunde

Haus Nagold

Die Attraktivität und Dringlichkeit des Themas wurde durch einen vollbesetzten Vortragsraum mit reger Beteiligung der Ärzteschaft unterstrichen.

Referenten waren die Allgemeinärzte Dr. Andreas. Graf Luckner aus Tengen, Lehrbeauftragter der Uni Freiburg im Fach Allgemeinmedizin, Ernst Klumpp, Mitbegründer der Regiopraxis in Baiersbronn und Dr. Lutz Wäckers aus  dem neugegründeten  Medizinischen Versorgungszentrum in Klosterreichenbach. Sie wurden durch die Veranstalter Dr. Ursula Utters, Kreistagsfraktionsvorsitzende der SPD und Daniel Steinrode, Nagolder SPD Fraktionsvorsitzender begrüßt.  Dr. Albrecht Rieber, Allgemeinarzt in Nagold hielt ein Grußwort.

 

Dr. Andreas Graf Luckner zeigte Bedingungen auf, die zum Hausärztemangel geführt haben. Ein über viele Jahre zu geringer Stellenwert der Allgemeinmedizin in Studium und Weiterbildung. Die Schaffung von mehr und kleineren Facharztgebieten führte zu einem deutlichen Übergewicht von Fachärzten  (bis 70%)  vor allem in den Städten. Es gibt keinen absoluten Ärztemangel aber eine ungleiche Verteilung geographisch und bei den Fachgebieten.

Dies führt zum Nachwuchsmangel vor allem in ländlichen und kleinstädtischen Gebieten. Die Bevölkerung altert, ältere Menschen haben häufig mehrere Krankheiten gleichzeitig und brauchen eine ganzheitliche Gesundheitsbetreuung durch einen Hausarzt, der dann gezielt an Fachärzte überweist. Dies macht die Betreuung effektiver, kostengünstiger und persönlicher.

Ein weiterer Aspekt für den Mangel an Nachwuchs ist, dass 70% der Medizinstudierenden Frauen sind. Nach Abschluss der Weiterbildung zur Ärztin f. Allgemeinmedizin sind sie häufig in der Familienphase und bevorzugen angestellt und in Teilzeit zu arbeiten. Um dies zu kompensieren, müssten mehr Bewerber zum Medizinstudium zugelassen werden. Baden Württemberg hat in diesem Jahr die Anzahl der Studienplätze um 10 % erhöht, vermutlich nicht ausreichend. Um Nachwuchs für den ländlichen Bereich zu gewinnen, sollte man gezielt Medizinstudenten aus diesen Bereichen gewinnen und evtl. bei der Zulassung bevorzugen, dies machen 2 Universitäten in östlichen Bundesländern. Für Studierende, die sich verpflichten, in ländlichen Gebieten zu arbeiten, gibt es Stipendien - der Kreis Calw vergibt 3 / Jahr.

Da  nun endlich alle Universitäten (bis auf 3) einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet haben, steigt allmählich auch ihr Stellenwert. Durch verbesserte Kooperation mit Lehrkrankenhäusern und Praktika während des Studiums in Allgemeinarztpraxen muß die Kenntnis dieses attraktiven Arbeitsfeldes verbessert und die Motivation der Studierenden zur Arbeit als Hausarzt gestärkt werden. Es gibt Weiterbildungsverbünde für die Ärzte in Weiterbildung zum Allgemeinarzt und für die Ausbilder. Die kassenärztliche Vereinigung fördert die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten in Praxen finanziell.

Praxen sollten bei den Anstellungsverträgen flexibel auf die persönliche Situation der jungen Ärzte/innen eingehen, Teilzeitarbeit anbieten und bei der Suche nach Kinderbetreuung und Wohnung helfen.

All diese Dinge sind leichter zu bewerkstelligen in Praxisgemeinschaften, Gemeinschaftspraxen und MVZs. In der ländlichen Gemeinschaftspraxis von Dr. Luckner arbeiten inzwischen statt 2 Allgemeinärzten 3 niedergelassene und 3 angestellte Ärzte/innen. Für den Bau eines größeren  Praxisgebäudes wird es eine Genossenschaftslösung unter Beteiligung der Gemeinde Tengen geben.

Der Allgemeinarzt Ernst Klumpp stellte die 2012  in Baiersbronn gegründete Regiopraxis vor. 3 niedergelassene Allgemeinärzte schlossen sich zusammen, von 9 Hausärzten standen damals in Baiersbronn 7 kurz vor der Rente. Sie fanden einen Investor, der ein großzügiges neues Praxisgebäude erstellte, in das auch eine Apotheke, ein Orthopäde sowie eine Physiotherapie Praxis mit einzogen. Die 3 Ärzte  erhofften sich mit dieser attraktiven neuen Praxisform Weiterbildungsassisten und auch weitere Allgemeinärzte anziehen zu können. Die Rechnung ging auf, nach 5 Jahren waren sie sieben Allgemeinärzte- teils niedergelassen, teils angestellt- und haben auch noch Ärzte in Weiterbildung. Sie können die Versorgung in Baiersbronn sicherstellen.

Dr. Lutz Wäckers berichtete, dass sich in Klosterreichenbach mehrere ältere Hausärzte entschlossen haben sich zu einem MVZ zusammen zu schließen, das von einem Geschäftsführer des Medi Verbunds (Ärzteverbund) verwaltet wird. Die Ärzte arbeiten angestellt, weitere Ärzte -auch in Teilzeit können sich anschließen – auch dieses Modell funktioniert.

In den Referaten und in der Diskussion wurde klar, dass sich das Berufsbild des Allgemeinarztes gewandelt hat: die zukünftigen Hausärzte streben mehrheitlich Arbeit in einem Ärzteteam an, auch  sollten in die Arbeit am Patienten  die medizinischen Fachassistentinnen stärker eingebunden werden. Dies bietet Entlastung von Bürokratie und mehr Zeit für Familie und persönliche Interessen. Gerade der ländliche Raum bietet hierfür Chancen, Gemeinden und auch der Landkreis sollten aktiv unterstützen und werben.

Text: Dr. med. Ursula Utters, Altensteig  Bild: Daniela Steinrode, Vollmaringen

 

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